Chers Confrères, chères Consœurs - Liebe Freunde unserer Organisatio
Ist Euch auch schon aufgefallen, dass Flexitarier gegenüber Vegetarier «ihre» Positionen eifriger verteidigen als umgekehrt? Dass Vegetarier oft lächeln, wenn man ihnen all die vermeintlichen Nachteile einer strikt vegetarischen Ernährungsweise aufzählt, an die Vernunft appelliert, oder von fehlender ausgewogener Ernährung spricht? Es ist das Lächeln der Gewissheit, dass vegetarische Gerichte ebenso grossartig, vielfältig und geschmacksvoll sein können wie Fleisch, Fisch oder Geflügel und mindestens dieselben Emotionen auslösen können. Ihr zweifelt dieses Statement an? Dann war es Euch nicht vergönnt, am Freitag, dem 18. Oktober im Restaurant VIVID in Triesen den schon lange erwünschten Soirée Végétarienne mitzuerleben.
Zugegeben, die Menu Beschreibung war klar auf Understatement ausgerichtet. «Rübli mit Honig und Vanille» oder «Ceviche vom bunten Rheintaler Gemüse» liessen vieles offen, aber wer bei Chaîne Anlässen oder sonstigen Besuchen im Restaurant VIVID die Aufmerksamkeit nicht nur dem Fisch oder dem Fleisch gewidmet hatte, der wusste, dass mit diesem Menu ein Versprechen verbunden war: Nämlich auch den Flexitariern einen unvergesslichen Abend zu bescheren und vorgefasste Vorurteile über vegetarisches Essen nachhaltig zu korrigieren. Und so kam es dann auch. Nichts, aber auch wirklich gar nichts blieb dem Zufall überlassen. Maître Heiko hat sämtliche Reservationswünsche anderer Gäste abgesagt, um sich vollumfänglich dem von ihm kreierten Menu und uns widmen zu können. Selbst ein eigens für diesen Abend kreierter Cocktail wurde gereicht. Diese exklusive Wertschätzung für uns Chaîne Gäste berührt zutiefst und lässt nachvollziehen, dass äussert gut gelaunte Gäste schliesslich an den Tischen Platz genommen hatten. Maître Heiko liess es sich nicht nehmen, uns den Gruss aus der Küche persönlich an den Tisch zu bringen.
Das Tomaten-Kokosschaumsüppchen bildet die ideale Basis, um auf die Weinbegleitung einzugehen. Der Castellum Riesling Sylvaner, ein Wein mit feiner Frucht und leichtem Muscat Ton präsentierte sich beim Antrunk als sehr eigenständig und es entstanden Fragen, wie sich dieser Wein wohl zur Suppe präsentieren würde. Als perfekte Marriage, wie wir alsbald feststellen konnten. Die vorher kaum wahrnehmbare Säure ummantelte die dezente Schärfe des Süppchens, unterstrich das Tomatenaroma und die Frucht harmonierte bestens mit der Kokosnote. Kein Zufall, denn auch bei den weiteren Gängen war die Abstimmung mit den Weinen perfekt.
Frische Zutaten, Marinade, etwas Einwirkzeit für die Geschmacksentwicklung, und dann mit Kräutern anrichten und servieren. Tönt sehr einfach, ist es aber nicht. Die Marinade muss nämlich mit den Zutaten harmonieren, sonst erinnert Ceviche an ein Konzert, bei dem zwar hervorragende Musiker spielen, aber halt jeder ein anderes Stück. Diese Komposition hat mich besonders beeindruckt, weil viele Aromen aufeinander abzustimmen waren. Besonders raffiniert: etwas Süsskartoffelpüree als neckischer Gegenspieler zur Säure der Marinade Ceviche vom bunten Rheintaler Gemüse. Dazu gereicht: Pinot Blanc Bachwiesen von J. Obrecht Ein Gericht mit weissem Trüffel erfordert Vernunft, da zu viele Zutaten der Geschmacksentwicklung der Trüffelaromen nicht dienlich sind. Ein Ei, etwas Kartoffelpüree oder Tagliatelle an Rahmsauce sind klassische Basisgericht, die besonders gut geeignet sind, um mit Trüffel verfeinert zu werden. Aber Maître Heiko hat sich mit diesen Klassikern nicht zufriedengeben wollen. Kartoffelraviolo mit Beurre Blanc wurden gereicht und bot zusammen mit den reichlich arrangierten, hauchdünn gehobelten Trüffeln Gänsehautmomente.
Eine perfekte Bisskonsistenz des Raviolo, eine samtig anmutende Kartoffelfüllung und eine Beurre Blanc, bei der Schalotten, Weisswein und Butter genial aufeinander abgestimmt waren, liessen die Trüffelaromen in Vollendung zur Geltung kommen. Ein absoluter Signature Dish, den ich in der Trüffelsaison liebend gerne auf der Menukarte des VIVID wiederfinden möchte. Dazu MUSS Nebbiolo Wein, in unserem Fall ein Barbaresco Pajoré von Sottimano.
Nach diesem Gericht den Übergang zum nächsten Gang zu schaffen, erschien schwierig, aber auch dafür hatte Maître Heiko die passende Lösung parat: Ein Cornet mit Karotten-Sorbet erfrischte die Geschmackspapillen und bildete einen harmonischen Übergang zum «Rübli mit Honig und Vanille». Das «Rübli» entpuppte sich als eine Variation von Karotten auf dem obersten Niveau der Kochkunst: Im Ganzen, als Krokant, als Schaum, als Püree, als Soufflee und Gebacken. Dazu Baby-Morcheln und das nicht zu knapp. Nose to Tail in einem Gang – das geht halt nur vegetarisch. Dieses Gericht hat mir in besonderer Weise aufgezeigt, dass Vegetarier keineswegs auf grossartige Kreationen verzichten müssen, die aus nur wenigen Zutaten bestehen. Wenn ich mir vorstelle, dass ähnliches aus Roter Bete, Blumenkohl, Sellerie und vielen anderen Gemüsesorten ebenfalls möglich ist, dann stellen traditionell fleischlose Tage wie der Aschermittwoch oder der Karfreitag überhaupt keine Herausforderung mehr dar. Sie mögen kommen!
Ja was ist das denn? Was hat ein Landjäger an einem Soiréé Vegetarienne zu suchen? Vertrauen ist gut, Notvorrat ist offensichtlich besser. Es hätte ja sein können, dass ein vegetarisches Menu zu einem Hungerast, zu Unterzuckerung oder gar einem Schwächeanfall hätte führen können und da beugt Man(n) vor. Ich kann es verraten: der Landjäger hat «unverzehrter» Dinge wieder die Heimreise antreten können. Eine von vielen kleinen Episoden an diesem Abend, der auch mit lauschigen Bonmots reich bestückt war. Die Leichtigkeit der vegetarischen Küche schien alle Gäste zu beflügeln.
Wenn man sich das Dessert «Zwetschgenröster mit Gallianoparfait und Safranluft» vorstellen muss, dann könnte schon einmal die Fantasie mit einem durchgehen. Galliano – schon mal gehört, aber was ist das schon wieder ganz genau? Luft oder doch Duft – egal, wie soll das gehen? Läuft die Garde Blanc mit einem Zerstäuber durch das Restaurant und umnebelt uns mit Safranaroma? Auf den ersten Blick erscheint alles ganz normal. Aber dann stellt man fest, dass die Dekoration beim rechten Nachbarn anders ist, bei der Nachbarin zur Linken ebenfalls. Zwetschenröster ist klar zu identifizieren, Parfait ebenfalls. Also ran an den «Schaum», der dann die Safranluft sein muss. Einen Löffel, satt gefüllt muss es in meinem Fall sein. Mund zu – und da ist: Nichts! - oder besser gesagt: Etwas Luft halt. Aber in der nächsten Sekunde breitet sich am Gaumen eine wunderbare SafranAromatik aus, wird alsbald mundfüllend und namenserklärend. Witzig, überraschend und genial. Galliano ist ein süßer und aromatischer Likör. Die Marke wurde 1896 in Italien von Arturo Vaccari gegründet, der das Originalrezept für Galliano mit einer Mischung aus Kräutern und Gewürzen entwickelte. Interessanteste Zutat für mich: Wildfräuleinkraut, auch Moschus Schafgarbe genannt.
Bernkasteler Kurfürstlay Beerenauslese vom Weingut Molitor-Rosenkreuz von der Mosel hat dieses Dessert begleitet. Das ist an sich schon ein Fest für den Gaumen. Wenn dann aber ein perfekt gereifter Wein aus dem Jahr 2005 gereicht wird, dann wird einmal mehr klar, dass an diesem Abend etwas ganz Besonderes geboten werden sollte und überhaupt kein Platz für Kompromisse da war. Ein krönender Abschluss für eine Weinbegleitung, die überaus gut gelungen war und alle Gerichte wunderbar begleitete und ergänzte.
Lange hat es gedauert, bis wir einen vegetarischen Anlass ins Jahresprogramm einplanen konnten. Nach diesem Abend ist klar: es wird nicht der letzte sein, ABER: die Messlatte ist hoch angesiedelt, denn Maître Heiko und das Küchenteam haben in ganz besonderer Weise für einen unvergesslichen Abend gesorgt und die hohen Erwartungen von uns allen übertroffen! Wie gewohnt überaus professionell, charmant und aufmerksam: Das Service Team, das absolut souverän agierte und uns ein perfektes Wohlfühlambiente geboten hat.
Ich bedanke mich im Namen aller Teilnehmer bei Maître Heiko Krüger und seinen Teams für diesen Abend, der uns noch sehr lange in Erinnerung bleiben wird.
Vive la Chaîne!
Herzlichst, Euer Pepi Rauch, Conseiller Gastronomique der Bailliage Liechtenstein