Chers Confrères, chères Consœurs - Liebe Freunde unserer Organisation
Naunet, Poseidon und Neptun sind Göttinnen und Götter der altägyptischen, griechischen und römischen Mythologie. Sie standen Patin und Pate für die Tischnamen anlässlich des Dîner des Poisson 2024 im Restaurant Marée-Sonnenhof. Mythologie ist schwer zu erfassen, nicht selten Historikern und Philosophen vorbehalten, vielen von uns aber durchaus aus den Sagen des Altertums oder dem Geschichtsunterricht bekannt.
Die eben Erwähnten dienten als Brücke zum Dîner des Poisson, konnten aber sehr rasch in den Hintergrund treten, um den echten Heldinnen und Helden des Abends Platz machen: Den Teams des Restaurant Marée, brilliant orchestriert durch Grand Officier Maître Hubertus Real.
Dürfen Begriffe wie: im siebten Himmel, überirdisch oder gar göttlich im Zusammenhang mit der Wertschätzung und Würdigung von exquisiter Küche überhaupt verwendet werden? Ich meine ja, denn sie sind Ausdruck spontaner Freude, des Wohlbefindens und der Verzückung. Es wäre falsch, diese Originalkommentare nicht in meiner Review zu berücksichtigen. Aber es gilt aufzuklären, wie es zu diesem Lob in höchsten Tönen gekommen ist.
Oft unterschätzt - aber als Ouvertüre zu einem grossartigen Menu besonders wichtig: Das AmuseBouche aus Thunfisch, unterlegt mit einem Hauch an orientalischen Gewürzen. Wir sollten damit aufhören, die Bezeichnung «Gruss oder kleine Aufmerksamkeit aus der Küche» zu verwenden.
Ein Amuse-Bouche ist dazu da, Gäste zu fokussiere und sie auf den Genuss der weiteren Menufolge vorzubereiten. Subtil, aber doch konsequent sind die Neben-Schauplätze auszublenden. Dieses Amuse-Bouche hat die Stilistik des Abends wunderbar angekündigt und repräsentiert:
Jeder Fisch hat seinen individuellen Geschmack, die Nuancen und Aromen können aber sehr zart sein und dürfen keineswegs durch zu geschmacksintensive Beilagen zugedeckt werden. Bei geschickter Wahl der Beilagen und Gewürze fördern diese die Geschmacks-Individualität des jeweiligen Fisches und lassen uns diese bewusster erleben.
Ceviche vom Saiblings-Tartar
Kokos|Stangensellerie|Yuzu|Rote Zwiebeln
Ich verstehe alle, die nun noch einmal zurückblättern und sich denken: jetzt hat er doch geschrieben, dass geschmacksintensive Beilagen zu einem feinen Fisch wie einem Saibling eigentlich nicht gehen …
Stangensellerie, Rote Zwiebeln, Kokos, Yuzu (eine asiatische Zitrusfrucht, deren Saft wie eine Mischung aus Limette und Mandarine schmeckt) haben Eigengeschmack, aber sie harmonieren und korrespondieren, gleichen aus und stützen damit den Saibling in seiner Geschmacksentfaltung.
Besonders der zarte Hauch an Bitterkeit der Yuzu harmoniert mit der Kokos-Süsse wunderbar unsist schönstes Beispiel für die Harmonie von Zutaten.
Sehr beliebt bei Feinschmeckern ist die Jakobsmuschel, Fangsaison ist November bis März. Die Muschel gehört leider zu den bedrohten Arten, der Fang ist limitiert und reglementiert (Grösse), deshalb ist auf das Label Rouge zu achten. Es lohnt sich, die historische Bedeutung dieser «Pilgermuschel» gelegentlich nachzuvollziehen.
Lamellen von der Jakobsmuschel
Lachskaviar|Hummer-Tapioka
Ich bin überzeugt, dass die Wahl der Lamellenform nicht dem Food Styling geschuldet ist, sondern eine besonders raffinierte Form des Geschmackerlebnisses darstellt: Der Biss durch die Muschel wird beinahe eliminiert, die Geschmackspapillen kommen direkter zum Einsatz und machen die zarte Nussigkeit und feine Süsse der Muschel besonders schön erlebbar.
Duett vom Wolfsbarsch und Wildlachs
Blumenkohl |Schnittlauch Beurre blanc
Mit Fisch lassen sich auch überraschende Kombinationen kreieren. Die Betonung liegt aber auf «Duett» und nicht «Duell» Es gilt die geschmackliche Dominanz des Wildlachses in geeignete Bahnen zu lenken, oder wie wir es erleben durften, ein Wechselspiel zu kreieren, dass den beiden natürlichen Grundgeschmäckern beider Fischarten gerecht wird:
Der Fettgehalt des Lachses ist wesentlich höher und Fett als Geschmacksträger portiert die Aromen besonders gut. Im Gegenzug fördert das sanfte Braten – man beachte die Kruste! – die buttrigen und leicht erdigen Aromen vom Wolfsbarsch und bringt zusätzliche, aber feinste Nuancen von Jod und Haselnuss zur Geltung. Müssig zu erwähnen, dass die Schnittlauch Beurre-Blanc die Harmonie zwischen den beiden Fischarten zusätzlich fördert.
Filet vom Schwarzen Seehecht
Kürbis | Roggen Risotto aus Liechtenstein
Eine Premiere für mich, Schwarzen Seehecht habe ich bisher noch nicht geniessen dürfen und ich meine, so erging es auch noch anderen Teilnehmern am diesjährigen Dîner des Poisson. Dieser Fisch wird als „Wagyu der Fische“ bezeichnet, was schon erahnen lässt, dass er geschmackliche Besonderheiten repräsentiert. Dabei sind diese gar nicht so einfach zu beschreiben. Ich versuche es mit: „voller, buttriger Geschmack“ und bin allen Teilnehmer sehr dankbar, wenn sie mir ihr individuelles Geschmacksempfinden kundtun. Meisterlich waren wiederum die Wahl und Zubereitung des „Allerlei von Kürbis“ und des Roggen-Risottos mit Liechtensteinbezug.
Das Fischdessert wäre zwar schon erfunden (z.B. Lachs Tiramisu) aber soweit ich das Feedback der Teilnehmer richtig verstanden habe, wurde ein «echter», süsser Abschluss sehr geschätzt. Das Schokoladen-Nuss-Tiramisu wurde mit einer Sauciere direkt am Tisch mit Kaffee «angereichert». Überaus beeindruckend die Servicekompetenz: Gerade so viel, dass die perfekten Biskotten die Flüssigkeit aufnehmen aber auch sanfte Bissfestigkeit bewahren konnten. Ich müsste eine längere Übungssequenz einbauen, um das in dieser Perfektion hinzubekommen. Ein grosses Kompliment an das gesamte Serviceteam, das den ganzen Abend überzeugte!
Last but not least sollen heute auch einmal die Weinempfehlungen wertgeschätzt werden. Sommelier Sander beweist eine sichere Hand und es sind nicht die grossen und teuren Namen, die im Vordergrund stehen, sondern die perfekte Harmonie zu den Speisen. Mein persönlicher Favorit: Sauvignon Blanc 2021, Ried Steinbach, von Lackner-Tinnacher aus der Steiermark.
Das Restaurant Marée hat auch überregional einen ausgezeichneten Ruf. Diesem Ruf sind insgesamt 8 Gäste gefolgt und haben gemeinsam mit den Mitgliedern der Bailliage Liechtenstein den Abend genossen. Es war ein Abend voller Höhepunkte, einer beeindruckenden Präzision, den Geschmack von Zutaten zu erhalten, zu kombinieren und zu fördern. Dazu ein wohltuendes Ausbrechen aus der sonst üblichen und klassischen Menu Folge.
Die sanften Übergänge von Ganz zu Gang sorgten für eine besondere Harmonie. Es ist mir selten leichter gefallen, einen Abend als Gesamtkunstwerk zu erleben und nicht als Abfolge einzelner Gerichte.
Ich bedanke mich im Namen aller Teilnehmer bei Grand Officier Maître Hubertus Real und seinen Teams für dieses grandiose Dîner des Poisson.
Vive la Chaîne!
Herzlichst, Euer Pepi Rauch, Conseiller Gastronomique der Bailliage Liechtenstein